Haftung für Entgeltbeträge
bei Missbrauch (Betrug/Fraud)?

Haftung bei missbräuchlicher Inanspruchnahme
von Telefondienstleistungen durch Dritte

Telefonbetrug — kein theoretisches Problem

Nachdem im Frühjahr 2014 in Deutschland ein Hack gegen den Router „Fritzbox“ der Firma AVM bekannt wurde, waren Millionen von Routern in Gefahr. Diese Sicherheitslücke wurde vor allem dazu missbraucht, die Telefonkosten des Anschlussinhabers in die Höhe zu treiben.

Liechtenstein scheint damals glimpflich davongekommen zu sein, was eine Rückfrage bei der Telecom Liechtenstein AG (nachfolgend „FL 1“) ergeben hat. FL 1 setzt insbesondere für ihre Kombiprodukte auch auf Router der deutschen Firma AVM. Laut Matthias Bieber, dem Mediensprecher von FL 1, konnten alle bekannten Schwachstellen frühzeitig mittels Upgrade behoben werden. Bis zu diesem Zeitpunkt und auch nach dem Bekanntwerden der Schwachstellen waren gemäss Bieber keine FL 1 Kunden in Liechtenstein von Angriffen betroffen. Wer haftet aber für die Telefonkosten bei Telefonbetrug (nachfolgend auch „Fraud“), der Teilnehmer oder der Anbieter?

Sind die Endnutzer seit der Revision des Kommunikationsgesetzes 2009 vor hohen Abrechnungen geschützt?

Liechtenstein hatte in den Jahren vor der Revision des Kommunikationsgesetzes (nachfolgend „KomG“) vor allem mit Missbrauch liechtensteinischer Rufnummern zu kämpfen, weshalb der liechtensteinische Gesetzgeber Handlungsbedarf sah. Diese Art von Fraud (Rufnummernmissbrauch) traf ausschliesslich ausländische Anbieter und Endnutzer, weshalb einige ausländische Anbieter alle Rufnummern mit der Vorwahl +423 blockiert hatten. Viele liechtensteinische Unternehmer erinnern sich bestimmt noch an die Zeit, in denen es aus den USA unmöglich war, die liechtensteinischen Rufnummern +423 zu erreichen. Mit der KomG-Revision 2009 wurde dieser Missbrauch aus heutiger Perspektive erfolgreich bekämpft. In diesem Zusammenhang wurde dann auch versucht, den Schutz der liechtensteinischen Kunden/Endnutzer zu verbessern.

Mit den neuen Art. 30a ff wurden sodann umfangreiche Bestimmungen betreffend den Schutz der Endnutzer im Interesse des Verbraucher- und Missbrauchsschutzes eingeführt. Durch die Vorgaben über Preisobergrenzen, Preisangaben und die Zwangstrennung von Verbindungen wurden Massnahmen getroffen, die die Transparenz steigern und das Risiko, sich durch die Nutzung solcher Nummern hoch zu verschulden, reduzieren sollen.

Der Entgeltanspruch entfällt, soweit gegen Art. 30b bis 30h (Preisansage, Preisanzeige, Preisobergrenze, Verbindungstrennung, Anwählerprogramme, R-Gespräche und / oder Auskunftsanspruch) verstossen wurde. Damit soll insbesondere der Endnutzer davor geschützt werden, dass sich der Dienstanbieter hinter dem Zuteilungsinhaber, der für ihn das Inkasso besorgt, versteckt.

Die Haftung des Endnutzers für das Entgelt wäre dementsprechend eigentlich begrenzt. Stand heute hat die Regierung allerdings noch keine Grenzwerte wie im Gesetz vorgesehen mit Verordnung erlassen. Eine entsprechende Verordnung zur Schliessung dieser Lücke ist allerdings in Vorbereitung. Für die Frage der Haftung wäre insbesondere eine gültige geregelte Preisobergrenze oder Verbindungstrennung relevant. Abs. 2 des Art. 30d KomG sieht aber auch vor, dass die Regierung Ausnahmen von den festgelegten Preisobergrenzen und Abrechnungsmodalitäten vorsehen kann, sofern keine Missbrauchsgefahr besteht oder der Verpflichtete geeignete Massnahmen zum Schutz der Endnutzer trifft. Meines Erachtens entfällt daher der Entgeltsanspruch des Anbieters mangels festgelegter Grenzwerte (Preisobergrenze, Verbindungstrennung) derzeit nicht, sofern er die übrigen Pflichten wahrgenommen hat.

Wer haftet, wenn ein Anschluss von einem Dritten missbräuchlich verwendet wurde?

Vor den in Kapitel VI des KomG neu eingeführten Bestimmungen zum Schutz der Endnutzer war die Haftung für Telefonbetrug in Liechtenstein nach allgemeinem Zivilrecht zu klären. Veröffentlichte Gerichtsentscheidungen hierzu in Liechtenstein sind dem Autor nicht bekannt. Christian Zib hat sich im Beitrag: „Haftung bei missbräuchlicher Inanspruchnahme von Telefondienstleistungen durch Dritte“ in der Zeitschrift medien und recht 6/05 bereits 2005 mit diesem Problem auseinandergesetzt . Er kommt zusammenfassend zum Schluss: „Der Teilnehmer muss im Wege der Rechtsscheinhaftung für Entgeltforderungen aus der Inanspruchnahme nicht nur von Verbindungsleistungen, sondern auch von Mehrwertdiensten durch Dritte einstehen, soweit er dies innerhalb seiner Einflusssphäre zu vertreten hat.“

Nach Zib besteht eine vertragliche Schutzpflicht des Dienstleisters, den Kunden bei Erreichen extrem hoher Entgeltbeträge zu warnen und/oder – je nach Anwendung – den Zugang bis auf weiteres zu sperren, sofern die Daten für die Entgeltverrechnung beim Dienstleister mitprotokolliert und ohne grossen Aufwand automatisiert ausgewertet werden können. Gemäss Art. 30m Abs. 1 Bst. b) KomG besteht in Liechtenstein die Verpflichtung, „angemessene technische und organisatorische Massnahmen zu ergreifen, um anhand der Verkehrsdaten Anhaltspunkte für eine rechtswidrige oder missbräuchliche Nutzung von Rufnummern zu erlangen“, weshalb in Liechtenstein die genannte Schutzpflicht für alle Dienstleister besteht. Für extrem hohe Entgeltbeträge haftet der Kunde daher nicht.

Die Frage, was unter „extrem hohe Entgeltbeträge“ in Liechtenstein zu verstehen ist, wäre von den Gerichten zu klären. Zib meint dazu: „Die Grenzziehung ist freilich eine Ermessensentscheidung. Würde sie aber auch nur bei einem durchschnittlichen Monatsnettoeinkommen eines Verbrauchers angesetzt, so würden die oben referierten Streitwerte höchstgerichtlicher Entscheidungen bei Annahme einer zweimonatigen Missbrauchsdauer bis zur Entdeckung damit schon auf einen Bruchteil reduziert.“

Diesem Vorschlag ist meines Erachtens einiges abzugewinnen: Geht man für Liechtenstein gemäss Lohnstatistik 2012 von einem durchschnittlichen monatlichen Bruttolohn von CHF 6‘380.—aus, so wäre „extrem hoch“ innert zwei Monaten bei ca. CHF 12‘760.—anzusiedeln, für darüberhinausgehende Beträge würde der Kunde demzufolge nicht haften. Die vorgeschlagene Regelung scheint praktikabel, so hat der Anbieter die Pflicht die Gebühren über den Zeitraum von zwei Monaten zu überwachen, das Risiko für „Fehlalarme“ bei gewollter Nutzung von Mehrwertdiensten wird reduziert und das Verschuldensrisiko der Verbraucher gedeckelt.

Zusammenfassendes Ergebnis

Mangels Festlegung von Grenzwerten entfällt der Entgeltanspruch des Anbieters derzeit nicht per se. Der Kunde haftet daher für die missbräuchliche Inanspruchnahme von Telefondienstleistungen auch durch Dritte bis zu extrem hohen Entgeltbeträgen, soweit er dies innerhalb seiner Einflusssphäre zu vertreten hat. Dies jedenfalls solange, bis (tiefere) Preisobergrenzen per Regierungsverordnung festgelegt wurden und die Regierung für den Fall des Betriebs eines Fraud Management Systems keine Ausnahmen vorsieht. Ruft der Ladenkunde, der nur einmal seine Frau anrufen wollte, eine teure Mehrwertnummer an, so haftet der Anschlussinhaber/Kunde daher weiterhin. So auch, wenn wie einleitend in Deutschland Telefonanlagen (PBX) gehackt und damit systematisch Mehrwertnummern angerufen werden, zumindest bis zu „extrem hohen“ Entgeltbeträgen.

Für den inländischen Endkundenschutz hat die KomG Revision 2009 den Weg zwar bereitet, es besteht nun allerdings noch weiterer Regelungsbedarf.

 

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